70 Jahre Patenschaft Erlangen
Erlangen, Richtung Westen
Komotau, Richtung Nordwest
70 Jahre Patenschaft
Erlangen und Komotau
Vorbildliche Freundschaft zweier Städte
Die Schlagschatten des Zweiten Weltkrieges lagen im Schicksalsjahr 1945 noch auf den Dächern von Komotau, als noch weitere Grausamkeiten auf die 35.000 Einwohner zählende Stadt herein brechen sollten. Die neuen Herren Böhmens wollten Vergeltung. Sie versammelten 6.000 deutsche Männer auf den Jahnspielplätzen zu Füßen des steinernen Deutschherrnritters. Etwa 20 Deutsche wurden tot geprügelt, der große Rest das Gebirge hinauf getrieben um den Sowjets übergeben zu werden. Als dies nicht gelang, mußten die bedauernswerten Männer ins Arbeitslager Maltheuern um dort Frondienste bis zu 1 ½ Jahren zu leisten.
Danach begann die Vertreibung, erst in wilder Form, dann „geordnet“. Es ging nach Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und das übrige Deutschland, einschließlich der Sowjetischen Besatzungszone.
Die Komotauer waren keine Einheit mehr. Man wußte wenig über Nachbarn und Bekannte und wohin es diese verschlagen hat. Erste Hilfe leisteten die Auskunftsstellen des Roten Kreuzes. Für Komotau war es der schwerversehrte Ingenieur Herbert Schmidt , der im Oktober 1947 das erste Briefrundschreiben unter dem Motto „Von den Quellen der Heimat“ verschickte. Das erste Zusammentreffen junger Komotauer war am 21.6.1948 auf der Saldenburg im Böhmerwald. Die Landsleute Walter Kult und Sepp Seifert Walter Herles und der Graphiker Fritz Köhler. Man besprach die Gründung einer Heimatzeitung. Diese wurde zunächst von Walter Herles und dem Graphiker Fritz Köhler als „Das junge Komotau“ herausgegeben und verschickt. Die erste Ausgabe trug das Datum vom 21.6.1948. Ab Juli 1950 erschien dieses Blatt dann als „Heimatchronik des Kreises Komotau“. Die Zeitung wuchs in den ersten Jahren und Monaten sehr stark. Sepp Seifert baute einen Heimatverlag auf in dem außerdem noch Heimatliteratur vertrieben wurde.
In diese Zeit fällt die Begründung der Patenschaft der mittelfränkischen Stadt Erlangen mit Komotau. Zuvor hatte Erlangen bereits eine Patenschaft mit unseren Nachbarn Brüx übernommen. Die Stadt hatte in der Aufnahme von Flüchtlingen jahrhundertelange Erfahrung. Anfang des 19. Jahrhundert kamen die Hugenotten aus Frankreich nach Erlangen. Ihre Nachkommen existieren heute noch als solche. Ihnen gehört das Gotteshaus am Hugenottenplatz. Erlangen hat Städtepaten- und partnerschaften zu 14 Orten im In- und Ausland.
Es ist selbstverständlich, daß in der Patenstadt auch Heimattreffen abgehalten wurden. Am 5. und 6. August 1950 war das erste.
Der ehrenamtliche Kreisrat mit den Herren Ing. Herbert Schmidt als Heimatkreisbetreuer und die Referatsleiter Richter, Dr. Astler, Dr. Böhm, Dr. Braun, Gutzer, Walter Herles, Körschner, Walter Kult, Löbl und Dr. Josef Winter. In einer Heimatkreiskartei wurden alle bekannten Landsleute geführt. Schließlich begründete man Ortsgruppen überall im Lande. Die Landsleute versammelten sich 1x im Monat um zu plaudern und gemütlich Kaffee zu trinken.
Die Initiatoren:
Die Oberbürgermeister von Erlangen
Erlangen indes wurde zur Heimstätte und zweiten Heimat.die Stadt Erlangen stellte Räume für Heimatstuben zu Verfügung. Oberbürgermeister Dr. Lades eröffnete am 3. Juni 1972 die neue Heimatstube im Palais Stutterheim persönlich. Seitdem haben wir mit Brüx eine gemeinsame Stube. Die Heimatstube im alten Rathaus oder Palais Stutterheim hatte geregelte Besuchszeiten. Alt und Jung gaben sich dort die Türklinke in die Hand, nicht ohne ein Wort auf Komotauerisch miteinander gesprochen zu haben. Die Heimatstube hat eine reichhaltige Bibliothek mit guter Heimatliteratur. Besonderen Wert haben eine Sammlung der Erzgebirgszeitung aus dem 19. Jahrhundert und die Malereien von Gustav Zindel, Adolf Sachs und Karl Heinz Wagner. Die Liedpostkarten von Anton Günther sind vollständig vorhanden. Dem Besucher fallt sofort eine sog. Höhenschichtrelief des Kreises Komotau auf, gestiftet von dem Landsmann Stowasser. Es könnten noch viele Kostbarkeiten hier erwähnt werden. Inventarverwalter Franz Schenker war stolz auf seine Heimatstube.
Festsitzung des Stadtrates
am 17.7.1963
Das
Bundestreffen wurde anfangs jährlich im August abgehalten.
Herausragend war das Treffen zur 700- Jahrfeier von Komotau im Jahre
1952. Es gilt als
Gründungsjahr der Patenschaft. Aus
diesem Anlaß erschienen zahlreiche Ehrengäste aus Politik und
Wirtschaft. Allen voran 2.
SL- Vorsitzender Christoph
Seebohm, der Bundesverkehrsminister, ein Seestadtler. Er hielt die
Festrede. Es waren 10.000 Landsleute erschienen. Viele
fanden keinen Platz mehr in den Veranstaltungsstätten. Der
Redoutensaal am Hofgarten mußte wegen
Überfüllung polizeilich
gesperrt werden. HKB Herbert Schmidt konnte unter den Ehrengästen
auch die Prinzen Karl und Rudolf
von
Hohenlohe- Langenburg (Rothenhaus) begrüßen. Anwesend waren
auch der letzte Komotauer Bürgermeister Eduard Fiedler, Baden-
württembergischer
Kultusminister und
Stadtdechant Dr. Karl
Hubatschek.
Am
Nachmittag bewegten
sich die Komotauer in einem Festzug durch die Straßen
Erlangens zum Burgberg, dem
Ort der Berchkerwa und ließen das Jubiläum mit einem Kellerfest
ausklingen.
Die Patenschaftsurkunde vom
17. Juli 1963
Einen Höhepunkt erreichten
die Beziehungen der Patenstadt Erlangen mit den Patenkindern mit der
Ausfertigung der Patenschaftsurkunde an den Kreisrat des
Heimatkreises Komotau. Der Stadtrat von Erlangen und der Kreisrat
Komotau hatten sich zu einer Festsitzung im Rathaus versammelt.
Oberbürgermeister Heinrich Lades verlas obige Urkunde und
überreichte sie dem Heimatkreisbetreuer Dr. Hugo Doleschel. Das
Original dieser Urkunde wurde in den Gedenkstein des Komotauer
Ehrenmals in der Sieglitzhofer Straße eingelegt.
Die Stadt Erlangen
verpflichtet sich in dieser Urkunde , das geistige und kulturelle
Erbe zu fördern und Mittelpunkt und Pflegestätte des Brauchtums der
Patenstadt Komotau zu sein. Der Oberbürgermeister sagte: „ Eine
Patenstadt kann die Heimat nicht ersetzen, aber sie kann Geborgenheit
und Sicherheit vermitteln. Wir wollen alles tun, damit das Kulturgut
des großen deutschen Kulturraumes lebendig bleibt und das Kulturgut
Komotaus weiterlebt.“ Dies ist zwischen Erlangen und Komotau in
vollem Umfange gelungen.
Am Heimatkreistag des 17. und
18. August 1963 wurde dann das Ehrenmal in der Sieglitzhofer Straße
eingeweiht. Die Finanzierung desselben erfolgte mit Spendenaktionen
und dem Verkauf von Gold- und Silbermünzen. Seitdem findet als erste
Aktion bei den Heimattreffen eine Kranzniederlegung am Ehrenmal
statt.
Der „1. Deutsche Turnverein
1864 Komotau“ beging am 16.-18.Mai 1964, während des
Sudetendeutschen Tages in Nürnberg, in Erlangen sein 100jähriges
Bestehen. 300 Turnschwestern und- brüder trafen in der Patenstadt
ein, um das Jubiläum zu feiern. Heimatkreisbetreuer Dr. Hugo
Doleschel sagte in seiner Festrede: „Gerade wir Turner glauben an
eine friedliche Lösung der europäischen Probleme und tragen keine
Revanche- und Rachegedanken gegenüber dem tschechischen Volk; wir
haben verziehen, ohne das schicksalsschwere Geschehen vergessen zu
können.“ Dem ist nichts hinzu zu fügen.
Im Jahre 1966 feierten die
Seestadtler den 450. Geburtstag ihrer Stadt. Mit dabei wieder
Minister Seebohm. Im Jahre 1969 feierte Görkau sein 700.
Stadtjubiläum.
Im Jahre 2004 startete der damalige HKB Kurt Stoupa den Versuch, mit dem Heimatkreis Brüx ein gemeinsames Treffen zu veranstalten. Das fand in der Heinrich Lades- Halle statt. Die Kosten waren sehr hoch. Deshalb entschloß sich der Kreisrat wieder den schon bekannten Redoutensaal als Stätte der Heimattreffen aufzusuchen. Wir waren weniger geworden. Der Sensenmann hatte größere Lücken geschlagen.
Der Komotauer Professor Kurt Antreich war es, der ausersehen war, aus den Händen des SL Bundesvorsitzenden Bernd Posselt die Ritter von Gerstner Medaille entgegen zu nehmen. Antreich war Physiker und machte Berechnungen für die Computerwelt.
Auch der Redoutensaal war inzwischen zu groß für unser Treffen. Wir zogen wieder um in den Saal des Frankenzentrums.
Unsere Heimatstube war schon länger im 3. Stock des Palais Stutterheim. Das alte Rathaus wurde im Jahre 2006 saniert. Unsere Heimatstube zog mit Sack und Pack in den 7. Stock des Frankenzentrums an der Raumerstraße. Anläßlich des 27. Komotauer Heimattreffens im Jahre 2006 wurde die Heimatstube im Jugendzentrum "Frankenhof", Raumerstraße 6 neu eröffnet. Mit dem Aufzug erreichten Sie bequem unser kleines Heimatmuseum im 7. Stock.
Die Stuben haben eine reichhaltige Sammlung von Gemälden und Gebrauchsgegenständen aus dem Komotauer Land. Gemeinsam mit dem Heimatkreis Brüx haben wir eine Ausstellung zusammengestellt, die sehenswert ist. Ein gemeinsamer Aufenthaltsraum ludt zum Verweilen ein.
Die Heimatstube mußte ein weiteres Mal umziehen. Im Jahre 2016 war auch für den Frankenhof die Sanierung angesagt. Diesmal ohne ein neues Quartier. Das Inventar mußte in einem Magazin zwischengelagert werden und stand für diese Zeit nicht zur Verfügung. Nach etwa 1 Jahr konnten wir jedoch eine 2- Zimmerwohnung in der Ludwigstraße/ Ecke Fahrstraße beziehen. Klein aber fein existieren wir hier.
Wir danken der Stadt Erlangen.
Was gibt es sonst noch in Erlangen, das an Komotau erinnert ? Natürlich gibt es eine Komotauer Straße und eine Görkauer Straße in der Südstadt. Siemens hat dort seine Sportanlagen. Überhaupt sind die Erlanger Straßen von Sehenswürdigkeiten und Orten im Sudetenland geprägt. Im Ortsteil Dechsendorf sind die Sudetenland- Straße, der Hirschensprung und die Brüxer Straße.
Der Stadtverkehr Erlangen stellte einen Stadtbus mit Namen "Komotau" in Dienst. Heimatkreisbetreuerin Hedwig Gemmrig schrieb dazu in der Heimatzeitung:
Erlangen hat einen Bus „ KOMOTAU“
Ab Mitte Dezember ist ein neuer komfortabler MAN - Erdgasbus mit Namen Komotau auf allen Linien im Stadtverkehr zum Einsatz gekommen. Am Sonntag, den 6. Dezember, am Tag der offenen Tür, konnte die Bevölkerung von Erlangen die neuen Gas-Diesel-Busse von MAN und Mercedes besichtigen. Gleichzeitig feierte Erlangen 60 Jahre Busverkehr mit vielen Informationen zur Geschichte des Stadtverkehrs, mit Kinderunterhaltung und Bewirtung.
Die neue Busflotte von 14 nagelneuen Fahrzeugen sind gehalten in den grün-weißen Farben der Erlangen Stadtwerke und sind eine Investition von 3,5 Mio Euro. Elf Busse tragen die Namen von berühmten Erlanger Persönlichkeiten und drei Busse erhielten den Namen der Patenschaftsstädte: Komotau, Brüx und Venzone in Italien.
Dieses Ereignis haben sich Komotauer Landsleute aus Erlangen und Nürnberg nicht entgehen lassen und besichtigten den Komotauer Bus. Er bietet Platz für 85 Personen, einschließlich zwei mit behindertengerechter Ausrichtung. An der Front- und Heckseite sowie an der Ein-Ausstiegsseite befindet sich je ein Wappen unserer Heimatstadt. Daneben steht der Schriftzug „Komotau“. Im Innenraum sind weitere Angaben über die Patenschaft der Stadt Erlangen seit 1951 für die deutschen Heimatvertriebenen aus dem Kreis Komotau .
Von der Stadt Erlangen war der Leiter des Bürgermeister- und Presseamtes Herr Helmut Schmitt mit Gattin sowie der Vorstand und Leiter der Erlanger Stadtwerke AG, Herr Matthias Exner (Eltern aus dem Riesengebirge), zugegen, die uns und die Brüxer gut informierten. Anwesende Presseleute waren an Einzelheiten sehr interessiert.
Alles in allem eine wunderbare Nikolausüberraschung, auch für die Erwachsenen und natürlich eine freudige für uns Komotauer. Unseren herzlichen Dank richten wir von dieser Stelle an die Stadt Erlangen für dieses besonders schöne Patenschaftsgeschenk.
Der Heimatkreis Komotau
Hedwig Gemmrig und Herbert Marsch
Vor der Neuapostolischen Kirche errichtete der Heimatkreis Komotau bereits in den ersten Jahren eine Blumenuhr, analog zur Komotauer Blumenuhr im Stadtpark.
Der Heimatkreis Komotau war zu einem großen Erfolg geworden. Es gab keine Veranstaltung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, aus der wir wegzudenken waren
Eine Ehrung für Frau Gemmrig war schon lange fällig.
Auf Vorschlag des Kreisrates wurde Frau Gemmrig im Jahre 2016 die
Ritter von Lodgman Medaille , die höchste Auszeichnung der Sudetendeutschen verliehen.
Im Jahre 2015 besuchte eine Delegation unter der Leitung von Oberbürgermeister Cerny aus Chomutov/ Komotau die Stadt Erlangen. Am Mahnmal legten sie ein Bukett nieder mit einer im Text eindrucksvollen Schleife. Anschließend besuchten man die Heimatstube, damals noch im Frankenzentrum. Neben der Besichtigung der Ausstellung gab es auch eine Besprechung . Heimatkreisbetreuerin Frau Gemmrig bemängelte, daß in der alten Heimat viel zu wenig darauf hingewiesen wird, daß einst Deutsche dort zu Hause waren und dem Lande zu Wohlstand verholfen haben. OB Cerny versprach Abhilfe. Die Tschechen hatten eine Dolmetscherin mitgebracht. So gab es keine Probleme und alle kamen gut über die Runden
Das war der Gegenbesuch von
OB Dr. Florian Janik
in Chomutov/ Komotau.
Streiflichter von den Komotauer Bundestreffen
Zum Schluß bietet der Heimatkreis Komotau ein Video
vom Besuch einer Delegation aus Chomutov/ Komotau
aus dem Jahre 2015 an. Leiter ist Oberbürgermeister Cerny.
Auch Museumsdirektor Déd ist dabei.
Cerny und Déd sind beide nicht mehr im Amt.