Ein Spaziergang , erzählt
von Alfred Mürling
Lassen Sie mich mit Ihnen, lieber Leser, einen Spaziergang durch unsere schöne Stadt machen. Zeitpunkt könnte so etwa die Zeit zwischen 1935 bis 1945 sein. Mein Geburtshaus in der Badgasse gibt es nicht mehr. Wir stellen den PKW neben das ehemalige Siechenhaus auf einem dreieckigen Platz ab.
Als Spedionslehrling bei der Fa. Weinert in der Silberer Bleiche hatte ich einmal ein Expreßpaket zu einem alten Mann im Siechenhaus zuzustellen. Dort waren 14 Mann in einem Raum untergebracht. Jeder hatte ein Bett, einen kleinen Spind und einen Stuhl.Das war sein Bereich. Das Siechenhaus hieß in der Kaiserzeit übrigens "Kaiserin- Elisabeth- Haus".
Siechenhaus
Weingroßhandlung Binder
Gerichtsgebäude am Theodor Körner Park
Vor dem Siechenhaus ist der Theodor Körner Park.Es sind darin 2 Baumalleen um einen etwas tiefer liegenden Rosenoval. Links ist die Lessingstraße, der Nordpol unserer Stadt. Dort war es Sommer, wie Winter kühl. Links die Häuserzeile, rechts die hohen Bäume, des Parks. Der Park wird vom Amtgerichtsgebäude abgeschlossen. In dessen Keller liefen wir bei Fliegeralarm, sofern die feindlichen Bomber uns noch Zeit dazu ließen. Einmal, in der Nacht des 14.2.1945 verließen wir nach der Entwarnung den Keller um heim zu gehen.Der ganze Himmel in Richtung Ortskrankenkasse war hell erleuchtet. War Brüx bombardiet worden ? Am nächsten Morgen erfuhren wir es aus dem Rundfunk: Dresden war im verbrecherischen Bombenhagel untergegangen.
Von der Herrengasse zweigt links die Fleischbankgasse ab. Wir aber gehen weiter in die Herrengasse. Es sind eine Reihe von Geschäften da. Auch das Weinhaus Binder.
Links zweigt die Enge Gasse ab zum Marktplatz. Am Ende der Herrengasse ist der Schulplatz, darauf die Bürgerschule (Mittelschule).
Mädchen- Bürgerschule
Bürgerschule am Schulplatz
Bürgerliches Brauhaus
Rosenpark
Der Deutschherrenritter am Jahnspielplatz
Evangelische Kirche
Wir gehen rechts und kommen zum Cafe Kugler. Dort haben wir uns oft ans Schaufenster gestellt, um den Billardspielern zuzusehen. Neben dem Kugler ist das andere Ende des Stadtgrabens. Wir überqueren die Weingasse und kommen zur Jahnturnhalle. Gegenüber der Turnhalle ist ein Fotogeschäft und die städt. Waage. Zurück zur Turnhalle: Auf dem anschließenden Sportplatz wurde im Sommer Vuglwies abgehalten. Dieser Sportplatz erhielt am 9. Juni 1945 traurige Berühmtheit durch das Massaker an den deutschen Männern.
Im Winter war der Sportplatz Schleifplatz zum Schlittschuhlaufen. Mein Vater und ich gehörten dem deutschen Turnverein an und gingen in die Turnhalle zum Turnen. Zur Turnertracht gehörten weiße und graue Strümpfe. Diese Strümpfe wurden von den Tschechen gar nicht gerne gesehen. Nach dem Sportplatz ist noch der DFK Fußballplatz mit dem großen steinernen Deutschordensritter. In der Vertreibungszeit lag das Monument zerstückelt und der weiteren Zerstörung preisgegeben auf einem Rasen in der Silbererbleiche.
An der Brüxer Straße befand sich, kaum zu übersehen, das Bürgerliche Brauhaus. In die tiefen Keller des Brauhauses wurde im Winter Eis vom Alaunsee eingelagert, das das Bier für die Sommermonate kühl hielt. Das bürgerliche Brauhhaus wurde 2011 abgerissen um einem Supermarkt Platz zu machen.
Am Rande des Stadtparkes stand die evangelische Kirche. Diese Kirche wurde 1973 gesprengt, nachdem sie gerade mal 74 Jahre bestanden hatte. Drinnen war ich leider nie, denn die Kirche war tagsüber versperrt. Links und rechts gehen Wege in den Park.
Wir gehen links. Dort kommen wir zur gern besuchten Blumenuhr, die nach Jahreszeitbepflanzt war. Besonders schön waren dort die Dahlien. Kurz dahinter ist das Kriegerdenkmal. Auf einem 2m hohen Steinsockel kniete ein nackter Krieger mit Helm, Schwert und Schild.
Vom Kriegerdenkmal gehen wir auf den "Bummel". Dort flanieren zur Dämmerstunde Pärchen und Paare. Etwas seitlich ist der Musikpavillon, in dem am Sonntag die Musik spielte. Weiter kommen wir in den Rosenpark mit seinem etwas erhöht stehenden Pavillon. Errichtet zur Landesausstellung in Komotau (1913)
Blumenuhr
Kriegerdenkmal
Parksäle
Denkmal des Turnvater Jahn
Frosch im Halse
Im Stadtpark befand sich auch ein Denkmal des Turnvaters Jahn. Ihm war das deutsche Komotau im Turnverein verbunden. Ein weiteres Zeugnis dazu ist die oben erwähnte Jahn- Turnhalle.
In der Nähe sind auch die Parksäle, das städtische Theater von Komotau. Zum Fasching werden dort auch Bälle veranstaltet. Wir gehen zurück zur Innenstadt. Am Anfang der Schießhausgasse biegen wir nach rechts.Dort ist linker Hand noch ein Stück Graben zu sehen.Der endet am Deutschherrnplatz. Dieser Platz ist eine Drehscheibe. Es kreuzen sich der Assigbach, Bahnhofstraße, Sandgasse,Langgasse und Kantstraße.In Richtung Marktplatz sind in den Gassen Geschäft an Geschäft.
Die Druckerei Butter druckte das Deutsche Volksblatt, weiter zu Markt zu das Leidl Kino. Neben dem Kino der große Block der Drogerie Wolf. Sie hatte ein ganz anderes Sortiment wie heute. Dann war noch die Wolf- Apotheke (Markenzeichen Frosch im Halse, Hustenbonbon grüne Fröschle in roter Schachtel) und in der Schießhausgasse das Farben Wolf Geschäft.
Wir kommen zum Marktplatz. Der mächtige 64 m hohe Stadtturm, gleichzeitig Kirchturm der Dekanalkirche, beherbergt die Wohnung des Türmers. In der Karwoche drehte der der Türmer die große Ratsche im Turm. Der Turm ist Eigentum der Stadt Komotau. Die Kirche hat einen reichverzierten Hochaltar und ebensolche Seitenaltäre. Ein großer Ausgang führt zum Marktplatz, ein anderer ist verschlossen und beherbergt eine fast lebensgroße Weihnachtskrippe.
Dekanalkirche mit Dreifaltigkeitssäule
1939
Marktplatz, Katharinakirche und Altes Rathaus
Marktplatz um 1940
Die Lauben 1914
Der Marktplatz meiner Heimatstadt
Zwischen Steingasse und altem Schloß
auf einer Seite umgeben von Lauben,
zwischen Stadtturm und Ignatiuskirch´
mit den Ständen von Äpfeln, Birnen und Trauben
lag unser Markt. Aus einstigem Schloß
der Deutschherrenritter, dem früheren Orden,
war schon seit ziemlich langer Zeit
das Rathaus der Stadt und Bürger geworden.
Nicht mehr besucht war die Kirche daneben-
nun sie stammte aus gotischer Zeit-
einst hatte sie gerufen zum Gottesdienst
die deutschen Ritter, die Ordensleut´.
Im Frühling, im Sommer wie auch im Herbst
kamen Bauern allseits vom Lande,
in Hülle und Fülle der Felder Frucht
boten sie auf ihrem Stande.
Des Gymnasiums Schüler sowie Studenten
zum "Bummel" sich jeden Abend hier fanden,
manch´Neues und Heit´res ward erzählt,
bis alle sich schließlich heimwärts wandten.
Zu Weihnachten und zum Neujahrstag
ein Bläserchor vom Turm erklang,
und mit der Glocken dumpfem Schlag
ein neues Jahr das alte zwang.
Helmut Pfrogner
Berühmt sind unsere Lauben.Unter diesen herrschte reges abendliches Gesellschaftsleben. Kinder spielten Verstecken,junge und ältere Paare flanierten unter den Lauben oder auf dem breiten Trottoir davor. Hier waren gut geführte Geschäfte: Ein Juwelier, die deutsche Volksbuchhandlung, der Bata Schuhladen, kleine Textilkaufhäuser, Apotheke, Rotes Kreuz und Schokoladenladen. Dann die enge Gasse. Am Ende des Marktes das Hotel Reiter, später Arbeitsamt.
Die Lauben
Ignatiuskirche (um 1800)
Der Bummel
Gegenüber ist die barocke Ignatiuskirche oder Jesuitenkirche und die Infanteriekaserne, früher Kloster. Die Kirche war nur zu hohen Festen geöffnet. Neben der Kirche gehen wir ein schmales Gäßchen entlang und kommen zum Gymnasiumsturm, wohl früher ein Teil der Stadtbefestigung.
Das alte Gymnasium war ein Teil des Klosters. Durch den Turm kommen wir zu einer Brücke des Assigbaches. Der fließt hier zwischen Mauern bis hin zum Schieferhof. Dieser ( 1930) offene Hof gehört zu einem Bauernhof, am Rande des Hofes.
Der Schieferhof mit Kloster und Gymnasiumsturm
Der Turm des alten Gymnasiums
Im Schieferhof gab es u.a. kleine Volksfeste. Auch Artisten und Viehmärkte sah der Hof.
Wir überqueren wieder den Assigbach und kommen vor zur Steingasse. Diese Gasse ist die Geschäftsstraße Komotaus. An der Ecke ist eine Bank , in der ich immer das Geld für meinen Chef einzahlte. Dann kam das Schokoladengeschäft "Rupa" .Feinkostladen, Drogerie, 2 Kaffeegeschäfte, Edel Fleischerei, Textilgeschäfte, Eisenwaren und Teppiche gab´s dort. Am Eingang zum Marktplatz ist die Kaserne, auf der anderen Seite das Invalidenkino. Vor dem Kino bettelte oft ein Kriegsversehrter, der von Eisenschienen und Lederprothesen zusammen gehalten wurde.
Zurück zur Gerstnergasse. Wir kommen an das Gerstnerhaus, ein großes Geschäftshaus. Gegenüber eine Seifenfabrik. Hier steht auch die Spittelkirche. Dort besuchten wir den Gottesdienst, wenn uns der Weg zur Dekanalkirche zu weit war. Im Hof sind kleine Wohnhäuschen, das Spittel. Hinten im Hof war eine kleine Tür, durch die kommt man zum Assigbach, der etwas abwärts an der Gerberei vorbei fließt. Wir biegen in die Badgasse und kommen wieder zum Ausgangspunkt zurück.